Fischermahl
Das Fischermahl damals und heute
Nach den Webern, die sich 1728 zu einer Zunft zusammengeschlossen hatten, gründeten um die Mitte des 18. Jahrhunderts auch die Fischer eine Art Zunft (mit der die Bückeburger Rentkammer Verträge schloß), die “Fischer-Gesellschaft”, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Jährlich wurde eine Versammlung, der Kreidag (ähnlich dem Weber-Kreiendag), abgehalten. Am Kreidag kamen die Alt- und Jungfischer zusammen, um ihre Interessen zu beraten, Streitigkeiten zu schlichten, aber auch, um über ihre Mitglieder ein beschränktes Strafrecht ausüben zu können. An diesem “Gerichtstage” wurden unter Vorsitz des Altfischers, dem Vorsteher, die Vergehen der Fischer (Verletzung der Schonzeit, des Hegegebietes, der Fischereigrenzen, Vergehen gegen die Fang- und Geräteordnung usw.) gerügt und bestraft. Am zweiten Festtage zogen die Fischer geschlossen durchs Dorf, hielten beim Pastor, Küster und Bürgermeister an, wo ihnen nach alter Sitte ein Köhm gereicht wurde. Allerlei Streiche wurden ausgeheckt, so daß es 1857 zum Konflikt mit dem Steinhuder Mäßigkeitsverein kam.
Die Einladung erfolgte stets durch zwei unverheiratete Altfischer. Ursprünglich ging der Kreidag in den Häusern der Fischer reihum, besonders häufig aber fand er im Hause Thiele 46 (“Achtern Keller”) statt. Zwischen 1880 und 1890 kamen die Fischerkreidage außer Gebrauch. Um 1930 versuchte man Jahresversammlung und Fest des Fischer-Vereins Steinhude e. V. wieder nach der alten Art zu begehen. Er fand damals bei Schweer 44 und in Schweers-Harms Fischerhus statt. Zur Versammlung saßen die Fischer an langen Tischen beieinander, zunächst von den mehr im Hintergrund oder zur Seite sitzenden Frauen getrennt. Mit der Ansprache des Altfischers wurde die Versammlung eröffnet:
“Eck segge: Mit Gunst! – Ji alle, Olt- und Jungfischer, wi danket jück, dat ji user Inladung efolget sind. Eck hete jück alle mit juen Frunslüen willkomen un will hoffen, dat ji düsse Morgensprake, de eck na den Bruuk afhole, sinnig annehöret un acht gewet, as et ehrboren Fischern takummt. Eck segge: Mit Gunst! – Et mak seck ´n jeder stille verholen, sienen Schmökekram ´n Oogenblick ut de Hand leggen un van sien´n Stale upstoan, denn eck will eis de Loan (Lade) apen maken.” Alle stehen auf. Die Akten und der Willköm werden aus der Lade genommen, in der sie verwahrt werden. Der Pokal wird der ältesten Fischerfrau (1935 war das Hodann “Bickenesen” Oma) übergeben, die ihn mit altem Korn füllt und wieder vor die Lade stellt. “Eck segge: Mit Gunst! – Jeder sette seck an Ort un Stehe un höre ta, denn de Rekenunge schall verläsen weren. Eck segge: Mit Gunst!”
Es folgen Rechenschaftslegung und Mitteilung der Fangergebnisse. “Eck segge: Mit Gunst! – Eck möchte hören un fragen, ob de eine oder de annere ünner jück is, de wat intawennen hat oder up meck oder miene Kollegen wat weit, dat wi nich düchtig wören, düsse Stehe ta verträen. De mag vörträen – de Öllere vör den Jüngeren, as seck dat gehört, – un bringe siene Klagen fien un schämern vör. Hat hei recht, schall öhne ta Recht ehulpen weren. Hat hei awer unrecht, schall hei in Strafe enahmen weren.”
Es folgen eventuelle Klagen gegen den Vorsteher. “Eck segge: Mit Gunst! Un nu höret de Geschichte van user Fischerie, denn wi wilt de Vergangenheit in Ehren holen un user Vörforen gedenken un nich undankbar sien för dat, wat se üsch achterlaten hewwet. Eck segge: Mit Gunst!”
Mitte der 30er Jahre hieß es dann: “Hiobs Fritz, les vör!” Früher werden es jeweils dazu bestimmte Fischer gewesen sein. In alter plattdeutscher Sprache liest der Aufgerufene die Geschichte der Fischerei vor, wobei die alten Besitzverhältnisse auf dem Meer geschildert werden. Am 6. April 1935, gab “Hiobs Fritz” (Seegers) einen Bericht über das letzte Jahr, das den Fischern leider infolge der Trockenheit und des damit verbundenen niedrigen Wasserstandes schlechte Fänge brachte, die auch durch den besseren Absatz nicht wettgemacht werden konnten. Auch “Schweers-Harms Dierk” sprach plattdeutsch, als er danach seinen Vortrag hielt. Das Fischereigewerbe ist das älteste in Steinhude. Allen Einwohnern des Fleckens sitzt das Fischerblut in den Adern. Gute und schlechte Zeiten sind es gewesen, und wenn das Brot der Fischerei auch hart und schmal war, der alte Fischerstamm, der neben der Arbeit auf dem Meer noch kleinen Ackerbau getrieben hat, hielt immer durch und hat sich nicht unterkriegen lassen. “Wenn dat Feeld rieke is, is dat Meer arm; wenn dat Meer rieke is, is dat Feeld arm”, sagt von altersher ein Fischer-Sprichwort. Waren fünf gute Erntetejahre, so gab es deshalb auch fünf schlechte Fischereijahre. Niemals werden allerdings die Fänge wieder so groß werden, wie vor dem Krieg und im Kriege (1914-18). Der Verkehr auf dem Meere hat für die Fische zu viel Unruhe gebracht. Segel- und Motorboote hetzen den Fisch hin und her. Er kann infolgedessen nicht genug zunehmen und wird so leichter krankheitsanfällig. Die Uferbesiedlung im Osten hat die besten Laichplätze vernichtet. Eine Vermehrung der Fische aus eigener Kraft ist kaum noch möglich, es muß Jungbrut eingesetzt werden. In Zukunft wird … (unleserlich) … Aal in größerem Maße zu holen sein, denn er ist ein Grundfisch und leidet nicht unter der Unruhe. Im Osten muß das Rohrgelege unbedingt erhalten bleiben. – Zum Schluß erinnerte man sich an die Fischerei-Ordnung und an die Notwendigkeit sie einzuhalten. Dann sprach wieder der Altfischer:
“Eck segge: Mit Gunst! Hat de eine oder annere Klage gegen einen Zunftkollegen, de träe vör de Loan un bringe se vör, de Öllere vör den Jüngeren. Klage mit Worheit, klage mit Bescheidenheit, dat öhne mit Worheit un Bescheidenheit Antwort werden kann. Keiner schall wat verschwiegen. Schwicht hei, denn schall´t füllerhenn verschwiegen bliem, wenn wi naher lustig un gaen Muts sind. Söcket vermelle eck jück. Also mit Gunst!”
Gegebenenfalls folgte die Erklärung von Vergehen und Übergriffen, die im verflossenen Jahr vorgekommen waren. Ahndung und Strafe, die meist keine schweren Nachwirkungen hatten, wurden ausgesprochen. Wurde keine Klage vorgebracht, fuhr der Vorsteher fort: “Eck segge: Mit Gunst! Weil keiner vörhannen is, de gegen üsch oder de Kollegen wat intawennen hat, sa mach meck de Willköm herrecket werden, dat wi´n düchtigen Drunk daet, de Öllere vör den Jüngeren, taen Teiken der Einigkeit. – Eck segge: Mit Gunst! – Tan Besten user Zunft un ta Ehren user Vörforen (trinkt). – Eck segge; Mit Gunst! Un nu latet üsch fiern in Frieden und Einigkeit. Mit Gunst!”
Mit den Fischerliedern “Ein armer Fischer bin ich zwar, …” und “Seht den Fischer wie kühn …” geht es zum gemütlichen Teil über, den ein Aalessen einleitete. Danach begannen die von den Fischerfrauen und -mädchen in der alten Steinhuder Tracht aufgeführten Volkstänze, wie “Johanna geiht mit Fischen ut …”, “Beckedorfer, Beckedorfer, hopsas-sa …” oder “Schüddel de Böx, schüddel de Böx, nich ta langsam, nich ta fix …”. Früher begleitet von Dudelsackmusik. Die Stimmung stieg und hielt immer bis in die frühen Morgenstunden an. Auch ein Sackhüpfen von Thiele 46 bis zum Schilderhäuschen am Ratskeller wurde veranstaltet. (Text: Rudi Diersche)
Anfang der 80er Jahre fand das Fischermahl mit geladenen Gästen am Freitag in den historischen Lokalen „Schweers-Harms-Fischerhus“ und „Zum Alten Krug“ bei Harste statt. Nach Schließung der Gaststätte wechselte man dann 2010 wieder in das Fischerhus über. Vor dem Einzug in die Gaststätte gab der Musikzug Steinhude ein Ständchen vor dem Lokal bis sich die geladenen Gäste alle versammelt hatten.
Danach eröffnete der Vorstand von Werbegemeinschaft und Fischerverein die Zusammenkunft. Aus Tradition machte der Willkömm, gefüllt mit Klarem, die Runde. Jeder nahm einen Schluck und gab diesen mit den Worten „Ek segge mit Gunst“ an den nächsten Gast weiter.
Zwischendurch wurden plattdeutsche Lieder und alte Geschichten vorgetragen. Zum Fischermahl wurde dann vorzüglich zubereiteter Fisch serviert. Man saß danach noch in gemeinsamer Runde zusammen und jeder konnte vortragen, was ihm nicht passt oder worüber man sich ärgert.
Da der Fischerverein nicht mehr aktiv am Fischerkreidag teilnimmt möchte die Werbegemeinschaft in Schweers-Harms-Fischerhus an einem gemeinsamen Mahl mit geladenen Gästen festhalten, um die Wichtigkeit der Probleme der Orte am Meer zu unterstreichen.
Vor dem Einzug in die Gaststätte gibt der Musikzug Steinhude ein Ständchen vor dem Lokal bis sich die geladenen Gäste alle versammelt haben.
Danach eröffnet der Vorstand von Werbegemeinschaft und Fischerverein die Zusammenkunft. Aus Tradition macht der Willköm, gefüllt mit Klarem, die Runde. Jeder nimmt einen Schluck und gibt diesen mit den Worten „Ek segge mit Gunst“ an den nächsten Gast weiter.
Zwischendurch werden plattdeutsche Lieder und alte Geschichten vorgetragen. Zum Fischermahl serviert wird dann vorzüglich zubereiteter gebackener Steinhuder Aal oder ein Fischgericht mit hausgemachtem Speckkartoffelsalat. Lecker!
Man sitzt danach noch in gemeinsamer Runde zusammen und jeder kann vortragen, was ihm nicht passt oder worüber man sich ärgert.